Das Nutriahäuschen

 Vom Nutria-Häuschen zur Vogelschutzhütte

Eine vielseitige Nutzung im Laufe der Zeit

-Balduin Droß-

Das kleine Häuschens im Katzenfurter Volkersbachtal hat eine abwechslungsreiche Geschichte, und es hat entsprechend der jeweiligen Nutzung verschiedene An- und Umbauten erfahren. Ursprünglich als Teil einer Anlage für die Nutriazucht erbaut, im Wandel der Zeit als Notunterkunft für Menschen, die im 2. Weltkrieg durch Bombardierung der Stadt Frankfurt ihre Wohnung verloren hatten, dann als Wochenendhaus, und derzeit als Vogelschutzhütte genutzt.

Die im örtlichen Sprachgebrauch, zumindest für die ältere Generation, noch immer häufigste Bezeichnung für das kleine Gebäude –  „Das Nutria-Häuschen“- resultiert aus der ursprünglichen Nutzung und wird entsprechend der derzeitigen Nutzung durch die Vogel- und Naturschutzgemeinschaft Katzenfurt jetzt als Vogelschutzhütte gekennzeichnet.

Auf dem Grundstück am Volkersbach (Flur 19, Flurstück 177) wurde etwa um 1930 von Heinrich Hild (1886 -1959) eine kleine Nutriafarm eingerichtet. Nutrias, auch Sumpfbiber oder Biberratten genannt, (Myocastor coypus) stammen ursprünglich aus Südamerika und wurden wegen ihres begehrten Felles in Farmen gezüchtet, wozu sich auch Heinrich Hild entschloss.

Immer wieder sind Tiere aus den Pelzfarmen Europas entwichen und leben heute in manchen Gebieten in freier Natur, wo sie dem Jagdrecht unterliegen.

Ursprüngliches Nutria-Häuschen mit den einzelnen Buchten, etwa um 1935 aufgenommen. Im Vordergrund Walter Hild (1927–1986) (Bild von Fam. Arno Hild erhalten)

Eine Anzahl Buchten mit Drahtverhau und ein Backstein-Häuschen für die Lagerung und Zubereitung des Futters etc. bildeten den Grundstock für die Nutriazucht von Heinrich Hild.

Unmittelbar neben dem Grundstück war an der Hangseite eine Felsaussprengung mit Holzstempelvorbau, die als Vorratssilo für Rüben usw. genutzt wurde.

Der 2. Weltkrieg spielte wohl in der Entwicklung der Dinge eine Rolle mit und noch vor Ende des 2. Weltkrieges  (1945) kam die Nutriazucht zum Erliegen und das Backstein- Häuschen diente als Notunterkunft für Familie Schneider aus Frankfurt/Main, die durch Bombenangriffe ihre Wohnung verloren hatte und hier einquartiert wurde.

Nach dem Ankauf durch die Ehel. Schneider wurde in den 60-er Jahren in mehreren Bauabschnitten eine Erweiterung des Häuschens als Wochenendhaus vorgenommen, wozu auch ein Anbau mit darüberliegendem Balkon zählte, so dass hier zeitweise zwei Partien wohnen konnten. Nachdem die Familie Schneider ihren Wohnsitz wieder nach Frankfurt verlegt hatte, wurde das Gebäude fortan als Wochenendhaus durch die Erbengemeinschaft genutzt, wobei sich Josef Diehl ( 1922 – 1994 ) hauptsächlich um das Anwesen kümmerte. Balduin Droß hatte als Jagdaufseher einen guten Kontakt zu Josef Diehl und war im Besitz eines Grundstücksschlüssels mit der Erlaubnis für eine jagdliche Nutzung des Grundstückes. Nach dem Tode von Josef Diehl wurde der Kontakt zur Fam. Diehl weiter beibehalten und Kaufinteresse für den Fall eines Verkaufs bekundet,  wobei an eine weitere Nutzung als Vogelschutzhütte gedacht war. Einige Zeit wurde das Wochenendhaus nicht genutzt, wozu auch die steigende Lärmbelästigung durch die Autobahn beigetragen haben mag, und es zeigten sich Verfallsspuren am Gebäude, und die Verwilderung des Grundstückes nahm deutlich zu. Nach erneuter Rückfrage entschloss sich die Erbengemeinschaft zum Verkauf.

Der Gedanke des Ankaufs zwecks Nutzung als Vogelschutzhütte konnte nun dem Vorstand der Vogel- und Naturschutzgemeinschaft Katzenfurt e.V.  unterbreitet werden. Dass es eine einmalige Gelegenheit für die VNK war, ein eigenes Domizil für die Vereinstätigkeit zu bekommen, wurde erkannt. Zumal der Neubau einer Hütte oder eines Abstellraumes für die Vereinsarbeit im Außenbereich der Ortschaft keine Chance auf Genehmigung gehabt hätte und durch den Erwerb eines bestehenden Objekts eine zusätzliche Versiegelung der Landschaft vermieden wurde. In der Sitzung des erweiterten Vorstandes vom 31.03.1999 wurde dann der Ankauf unter dem Vorbehalt, dass einer Nutzungsänderung behördlicherseits zugestimmt wird, beschlossen.

Es folgten Besichtigungen und Gespräche mit den Behörden, insbesondere der Unteren Naturschutzbehörde zur Abklärung der Sachlage, und die Vorbereitung und Einreichung eines Antrages auf Nutzungsänderung mit entsprechenden baulichen Maßnahmen. Am 31.05.1999 wurde der Antrag nach Vorbereitung und unter Federführung des Verfassers  und der Antragstellung durch Architekt Uwe Henrich bei der Bauaufsichtsbehörde eingereicht und mit Schreiben vom 17.09.1999 unter dem Aktenzeichen 1999-BA-08-054 genehmigt. Zwischenzeitlich konnte mit der Erbengemeinschaft ein Vorvertrag abgeschlossen und dringende Vorarbeiten eingeleitet werden. Am 30.09.1999 konnte dann der endgültige Kaufvertrag mit der Erbengemeinschaft Rostek-Diehl-Müller abgeschlossen werden.

Nun war Eile geboten, denn in Anbetracht der schlechten Bausubstanz und der fortgeschrittenen Jahreszeit sollten noch in diesem Herbst (1999) der undichte Balkon, der zwischenzeitlich mit einer Abdeckfolie abgedeckt wurde, überdacht und das Dränage- und Abwassersystem erneuert werden. Auch musste zuvor Gebäude und Grundstück frei geschnitten, sowie das Gebäude geräumt und der Sperrmüll entsorgt werden und vieles mehr. Mit einer beachtlichen Anzahl aktiver Mitglieder wurde am Freitag, dem 15. Okt. 1999, der nicht mehr benötigte Dachaufbau abgenommen und die erforderlichen Zimmerarbeiten vorbereitet. Am Samstag, dem 16. Okt. 1999, wurden durch 2 Zimmerleute und 14 aktive Mitglieder die Zimmerarbeiten und die wichtigsten Dachdeckerarbeiten ausgeführt und der Grundriss stand nun unter einem dichten Dach.

Eine nicht ganz ungefährliche  Arbeit war das Fällen einer alten Fichte nebst weiteren Randfichten, die als nicht artgerechte Bäume einer Auenlandschaft gemäß  Auflage der Naturschutzbehörde zu entfernen waren, die aber auch bei Windfall als Flachwurzler in dem feuchten Untergrund eine Gefährdung für das Gebäude darstellten. Hierzu musste noch ein Waldfacharbeiter sowie eine Zugmaschine mit Seilzug insbesondere zur genauen Bestimmung der Fallrichtung für die hohe Fichte bemüht werden. Weitere Auflagen der Unteren Naturschutzbehörde sind in einem Artikel im „Jahresrückblick 1999“ der VNK nachzulesen.

Von 57 Mitgliedern und Helfern wurden für die Einrichtung und den Ausbau der Vogelschutzhütte ab 1999  bis Dezember 2000 insgesamt rd. 3000  Arbeitsstunden erbracht, wie im „Jahresrückblick 2000“ der VNK nachzulesen ist.

Mit einer bescheidenen Helferfeier wurde am 4. November 2000 die Vogelschutzhütte im Volkersbach ihrer Bestimmung übergeben.

Die finanziellen Mittel für den Kauf konnten durch Einnahmen und Ansparungen in der Vereinskasse,-  bei guter und vorausschauender Kassenführung -, und zum Teil durch Spendengelder erbracht werden.

Aus Sicht der zum Übernahmezeitpunkt aktiven Mitglieder der VNK  war der Erwerb und der Ausbau des Gebäudes zur Vogelschutzhütte eine gute Entscheidung, was sich auch in vielfältiger Weise im Sinne des Vogel- und Naturschutzes bestätigte. Es bleibt zu hoffen und zu wünschen, dass der gute Geist des Vogel- und Naturschutzes nicht mit dem Gebäude altert und abstirbt, sondern immer wieder Idealisten hervorbringt, die sich in erster Linie dem Vogel- und Naturschutz verbunden fühlen und hierfür eintreten.

In den letzten beiden Jahrzehnten wurde durch die VNK einiges an-, um- und ausgebaut. Neben einem Zaun und der Begradigung der Rasenfläche kam als Letztes im Corona-Jahr noch eine Überdachung für die Außenterrasse dazu.